Ruhrnachrichten 11/ 2004

Musiker-Duo vereint
Temperament
und Melancholie


Russische Bajan-Virtuosen in St. Magdalena.

Lütgendortmund - Wie unerwartet nah Temperament und Melancholie einander kommen können, bewiesen Professor Wladimir Bonakow und Iwan Sokolow den Hörern im Pfarrhaus St. Magdalena. Die russischen BajanVirtuosen nahmen die Gäste musikalisch mit in ihre Heimat.
Auf den ersten Blick hält Iwan Sokolow ein Akkordeon in den Händen. Doch der Schein trügt: Das schwarze Instrument hat keine Pianisten-Tasten, sondern 100 Knöpfe. Es wiegt 15 Kilo und nennt sich Bajan - die russische Verwandte des "Schifferklaviers". Sokolow eröffnet den Abend mit einem Ausschnitt aus der Rossini-Oper "Der Barbier von Sevilla". So schnell wie ein Chamäleon die Farbe wechselt, so schnell reihten sich Passagen unterschiedlichster Stimmungen aneinander. Auf feurig-rasant folgt nachdenklich-getragen, um in fröhlich beschwingter Weise weiter zu tänzeln und unverhofft in Wehmut umzuschlagen.
Den nächsten Part präsentiert Professor Bonakow. Der internationale Preisträger interpretiert die bekanntesten
Carmen-Melodien. Und tauscht das spanische Feuer gegen russischen Ernst. Wobei das Temperament nicht auf der Strecke blieb, aber den rauen Charme russischer Weiten verströmte. Den Titel "Herrlicher Baikal" trägt das Duo gemeinsam vor. Eine kraftvolle Komposition, in der der Wechsel zwischen majes-tätisch-getragenen Passagen zu lieblich-sanften Zyklen in scharfen Kontrasten hervorspringt. Temperament und Melancholie scheinen in heimlicher Liebschaft vereint. Die "Venezianische Caprice" komponierte Bonakow während eines Venedig-Aufenthaltes. Und wieder taucht eine andere Facette des russischen Charakters auf: Beschwingt und entschlossen springen die Klänge in den Saal, um die kraftvolle Tongewalt vorangegangener Stücke ein wenig in den Hintergrund treten zu lassen. Mit Ausschnitten aus den "Slawischen Tänzen" von Dvorak demonstrieren die Virtuosen nochmal die schnelle Folge im Stimmungswechsel: Von festlich-würdevoll bis einfühlsam getragen spannt sich der Bogen, der die Gemüter der Hörer in Schwingung versetzt. * Ri

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